Morbus Bechterew, auch Spondylitis ankylosans oder Bechterewsche Krankheit genannt, ist der Hauptvertreter der Krankheitsgruppe der sogenannten Spondyloarthritiden. Es handelt sich dabei um eine chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankung, die zu einer Versteifung der Wirbelsäule führt. In manchen Fällen betrifft sie auch Gelenke der Gliedmaßen, vor allem die Gelenke von Hüfte und Knie.
In Mitteleuropa sind etwa 0,5% der Bevölkerung von Morbus Bechterew betroffen. Mit einem Verhältnis von 2-3:1 erkranken Männer häufiger als Frauen.
Die verkrümmte und verwachsene Wirbelsäule eines Menschen im 6. Jahrhundert n. Chr., der an Morbus Bechterew litt
Was ist Morbus Bechterew?
Morbus Bechterew ist eine besondere Form des entzündlichen Rheumas und betrifft typischerweise die Wirbel und die sogenannten Kreuz-Darmbein-Gelenke (Iliosakralgelenke). Bei diesen Gelenken handelt es sich um Verbindungen von Kreuzbein und Beckenschaufeln. Diese gehören allesamt zu dem sogenannten Achsenskelett. Es können jedoch auch Gelenke außerhalb des Achsenskeletts entzündet sein.
Das Iliosakralgelenk zwischen Kreuzbein (os sacrum) und Beckenknochen (os ilium) ist häufig von Morbus Bechterew betroffen
Als Folge der Entzündung bildet sich manchmal in den Zwischenräumen der Wirbel und Kreuz-Darmbein-Gelenke Knochengewebe, sodass es schließlich zur Versteifung kommt. Da es nicht immer zu dieser Versteifung oder Verknöcherung durch eine Entzündung der Wirbel etc. kommt, wird der Name Morbus Bechterew bzw. ankylosierende Spondylitis nur für die schwere Form der Erkrankung verwendet.
Obwohl man im Anfangsstadium noch nicht sagen kann, ob überhaupt eine Verknöcherung stattfindet, verwendet man den Namen dennoch auch in der Anfangsphase der Erkrankung. Man spricht dann von einer Frühform des Morbus Bechterew. Mit dem Oberbegriff Spondyloarthritis werden jedoch Krankheitsverläufe mit und ohne Verknöcherungen bezeichnet.
Zur Krankheitsbezeichnung Morbus Bechterew
Während Morbus das lateinische Wort für Krankheit ist, steht Bechterew für den vermeintlichen Erstbeschreiber dieser Erkrankung, den russischen Neurologen und Psychiater Wladimir Bechterew (1857-1927).
Wenngleich die Krankheitsbezeichnung Morbus Bechterew auch etwas veraltet ist, ist sie dennoch vor allem in der deutschen Umgangssprache gebräuchlich. Teilweise wird Morbus Bechterew jedoch durch die Übersetzung und internationale Krankheitsbezeichnung Spondylarthropathie oder Spondylitis ankylosans abgelöst. Sehr treffend bezeichnet diese, um was für eine Erkrankung es sich handelt: eine versteifende Wirbelentzündung.
Ursachen des Morbus Bechterew
Die genaue Ursache des Morbus Bechterew ist bis heute noch nicht vollkommen erforscht. Man weiß jedoch, dass es sich bei der Spondylitis ankylosans um eine Autoimmunkrankheit handelt.
Ein gesundes Immunsystem schützt den Körper vor Krankheitserregern und anderen Fremdkörpern. Bei Autoimmunerkrankungen richtet sich das körpereigene Abwehrsystem gegen gesundes Gewebe des eigenen Körpers. Dieser Fall tritt auch bei der Bechterewschen Krankheit ein. Indem die eigenen Zellen fälschlicherweise als krank erkannt und deswegen bekämpft werden, tritt eine dauerhafte Schädigung von Knochen, Gelenken, Sehnen und Knorpel ein.
Genetische und bakterielle Auslöser
Die Erkrankung tritt darüber hinaus in manchen Familien häufiger auf als in anderen. Demnach kann die Veranlagung zu Morbus Bechterew auch vererbt werden. Damit es zum tatsächlichen Ausbruch der Bechterewschen Krankheit kommt, sind jedoch noch weitere Faktoren nötig. Das bedeutet also, dass die genetische Veranlagung nicht zwingend zum Ausbruch der Erkrankung führt.
Bei 95 Prozent aller Erkrankten ist das Gen HLA-B27 nachweisbar. Aus diesem Grund gehen Experten stark davon aus, dass die Spondylitis ankylosans durch dieses Gen mitverursacht wird. Nur 8 Prozent der Gesamtbevölkerung sind jedoch auch Träger dieses Gens. Inwiefern das Gen am Ausbruch von Morbus Bechterew beteiligt ist, muss weiter erforscht werden. Warum die Entzündungen gerade an den Gelenken, Sehnen und Knorpeln auftreten, konnte beispielsweise noch nicht geklärt werden.
Des Weiteren vermuten medizinische Experten, dass auch Bakterien, vor allem Stäbchenbakterien wie Klebsiellen, Shigellen und Salmonellen u.a. Morbus Bechterew auslösen bzw. mitverursachen können. Die Bakterien aktivieren massiv das Abwehrsystem und bringen bei einer gleichzeitig bestehenden Prädisposition Entzündungen hervor.
Symptome der Spondylitis ankylosans
Morbus Bechterew tritt häufig zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf. Der Verteilungsgipfel der Erkrankung erfolgt meistens um das 26. Lebensjahr. Die Erkrankung kann jedoch auch schon früher auftreten. Eines der ersten auftretenden Symptome ist der entzündliche Rückenschmerz, der vor allem in den frühen Morgenstunden auftritt. Der betroffene Patient wird durch diese Rückenschmerzen häufig am Weiterschlafen behindert und zum Aufstehen gezwungen, da die Rückenschmerzen bei Bewegung in der Regel nachlassen.
Ein typisches Symptom der Spondylitis ankylosans ist demnach, dass sich die Beschwerden in Form von Rückenschmerzen bei längeren Ruhepausen verschlimmern. Nach dem Aufstehen lasen die Schmerzen nicht direkt nach. Die Gelenke und der Rücken fühlen sich steif und ungelenk an. Dies kann bis zu 30 Minuten andauern. Nur langsam lässt diese Morgensteifigkeit nach. Da bei Morbus Bechterew Bewegung hilft, die Beschwerden zu verbessern, lässt sich diese Erkrankung vom Gelenkverschleiß (Arthrose) unterscheiden.
Verlauf von Morbus Bechterew
Morbus Bechterew beginnt häufig mit Schmerzen im Gesäß als Symptom, da die Iliosakralgelenke (die Kreuzbein-Darmbein-Gelenke im Bereich des Beckens) meist zu Anfang der Erkrankung von den typischen Entzündungen betroffen sind. Die Schmerzen im Gesäß treten vor allem bei längerem Sitzen auf und strahlen teilweise bis in die Oberschenkel aus. Außerhalb der Wirbelsäule können Schmerzen auch im Bereich des Brustbeins oder in den Gelenken der Hüfte, Knie und des Sprunggelenks auftreten – in der Regel nur auf einer Seite.
Es kann vorkommen, dass die Gelenke in Folge der Entzündungen anschwellen. Meist kommt es auch zu Einschränkungen der Bewegung. Wenn Patienten über Fersenschmerzen klagen und ihnen vor allem das längere Stehen auf hartem Untergrund Beschwerden bereitet, ist dies häufig ein frühes Anzeichen für Morbus Bechterew.
Im fortgeschrittenen Stadium verändert sich die Wirbelsäule. Nach und nach flacht die Lendenwirbelsäule bei Morbus Bechterew ab und die Brustwirbelsäule bildet zunehmend einen Buckel. Gleichzeitig entstehen nicht nur entzündliche Veränderungen in den großen Gelenken, sondern auch in Sehnen, Augen und im Herzmuskel.
Verkrümmung der Wirbelsäule bei Morbus Bechterew
Diagnose von Morbus Bechterew
Da die Symptome wie Rückenschmerzen relativ unspezifisch sind und den Symptomen anderer Erkrankungen ähneln, vergeht bis zur korrekten Diagnose Spondylitis ankylosans häufig einige Zeit. Durchschnittlich dauert es ungefähr sechs Jahre, bis die Bechterewsche Krankheit diagnostiziert wird.
Patienten mit chronischen Schmerzen und Versteifungen wird daher geraten, spezialisierte Rheumatologen aufzusuchen. Diese können die Symptome am ehesten richtig einschätzen und deuten, sodass die korrekte Diagnose zeitnah gestellt werden und auch die Behandlung frühzeitig beginnen kann.
Anamnese und bildgebende Verfahren zur Diagnose der Spondylitis ankylosans
Um die Diagnose Morbus Bechterew stellen oder widerlegen zu können, wird der behandelnde Arzt ein ausführliches Anamnesegespräch mit dem Patienten führen. Des Weiteren folgen eine körperliche Untersuchung mit Tests zur Beweglichkeit, bildgebende Verfahren und eventuell auch eine Blutuntersuchung.
Das ausführliche Gespräch zu Beginn nimmt einen besonderen Stellenwert bei Morbus Bechterew ein. Durch die genaue Beschreibung der erfahrenen Symptome kann der Arzt Hinweise auf Morbus Bechterew erkennen und auch nach bekannten Fällen in der Familie fragen. Um herauszufinden, ob die Rückenschmerzen Anzeichen für eine Spondylitis ankylosans darstellen, müssen die folgenden Kriterien erfüllt sein:
- Die Beschwerden beginnen vor dem 40. Lebensjahr
- Die Erkrankung erfolgt schleichend
- Die Beschwerden verbessern sich nicht in/durch Ruhepausen
Um eine sichere Diagnose zu stellen, kann man die entzündlichen Veränderungen an den Gelenken durch bildgebende Verfahren wie der Magnetresonanz-Tomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) feststellen. In der Regel ist eine MRT-Aufnahme des Iliosakralgelenks im Becken heute die bevorzugte Wahl.
Behandlung von Morbus Bechterew
Morbus Bechterew ist eine chronische Autoimmunkrankheit, die nicht heilbar ist. Es ist jedoch möglich, durch entsprechende Behandlungsmaßnahmen eine weitgehende Beschwerdefreiheit zu erlangen. Mit einer auf den Patienten individuell zugeschnittenen Therapie ist es möglich, die Entzündungen, die bei Morbus Bechterew häufig in Schüben auftreten, zu kontrollieren.
Das Ziel der Physiotherapie von Morbus Bechterew ist es zum einen, die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu erhalten. Zum anderen soll vermieden werden, dass sich ein dauerhafter Buckel bildet. Gezielte Bewegungsübungen sind sehr wichtig und machen den wichtigsten Teil der Therapie bei Morbus Bechterew aus. Nur in sehr seltenen Fällen wird bei einem sehr fortgeschrittenen Morbus Bechterew auch operiert, um den versteiften Rundrücken wiederaufzurichten.
Bewegung und Physiotherapie bei Morbus Bechterew
In der physiotherapeutischen Behandlung sollen die Betroffenen Übungen erlernen, die bestimmte Muskelgruppen kräftigen. Dies hält die Wirbelsäule möglichst aufrecht und beweglich. Neben einer speziellen Krankengymnastik unter Anleitung eines Physiotherapeuten ist es wichtig, auch im Alltag die aufrechte Rückenhaltung zu trainieren und beizubehalten.
Die richtigen Positionen im Sitzen und während des Schlafens helfen beispielsweise dabei, die Wirbelsäule und die betroffenen Gelenke nicht weiter zu strapazieren. Hierbei ist es wichtig, dass die betroffenen Patienten sich beraten lassen, wie sie den Veränderungen ihres Körpers im Alltag am besten entgegenwirken.
Empfehlenswert sind auch Sportarten, bei denen die Patienten eine möglichst aufrechte Haltung einnehmen. Zu diesen Sportarten gehören beispielsweise Rückenschwimmen und Nordic Walking.
Wenn es auch zu einer zunehmenden Verknöcherung während des Krankheitsverlaufs von Morbus Bechterew kommt, kann durch Bewegung / Sport und bestimmte Veränderungen im Alltag dennoch eine dauerhafte Verkrümmung der Wirbelsäule vermieden werden. Neben physiotherapeutischen Maßnahmen sind auch zusätzliche Behandlungsmaßnahmen aus der physikalischen Therapie geeignet, um die Beweglichkeit der Gelenke zu erhalten. Die physikalische Therapie hat aber nur einen unterstützenden Nutzen. Zu diesen Behandlungsmaßnahmen gehören beispielsweise Massagen und warme Bäder.
Medikamentöse Behandlung von Morbus Bechterew
Zusätzlich zu physiotherapeutischen Maßnahmen verschreibt der Arzt in der Regel meist Medikamente, um die Symptome wie Schmerzen zu verringern. Bei diesen schmerzlindernden und entzündungshemmenden Medikamenten handelt es sich in der Regel um nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR).