Wirbelgleiten (Spondylolisthesis)


Als Wirbelgleiten oder Spondylolisthesis wird eine Instabilität der Wirbelsäule bezeichnet. Dabei verschiebt sich ein Wirbel über den darunterliegenden Wirbelkörper und

  • rutscht nach vorne in Richtung der Bauchdecke
  • rutscht nach hinten oder
  • dreht sich seitlich weg

Je nach Ursache wird dabei zwischen angeborenem und erworbenem Wirbelgleiten unterschieden.

Definition: Was versteht man unter Wirbelgleiten?

Beim sogenannten Wirbelgleiten, auch Spondylolisthesis genannt, verschiebt sich ein Wirbel aus seiner Position. Er gleitet also mit seinen dazugehörigen Gelenkfortsätzen, Querfortsätzen und Bogenwurzeln über den darunterliegenden Wirbel. Die unteren Gelenkfortsätze des verkippten Wirbelkörpers bleiben dabei jedoch am Ursprungsort.

Lendenwirbel von der Seite mit Gelenkfortsätzen
Ein Lendenwirbel von der Seite mit oberem (superior) und unterem (inferior) Gelenkfortsatz (articular process)

Da die Wirbelkörper durch die Gelenkfortsätze miteinander verbunden sind, können sich auch die darüberliegenden Wirbel leicht mitverschieben.

Auf der einen Seite führt das Wirbelgleiten zur Instabilität der Wirbelsäule oder wird sogar als eine Form der Wirbelsäuleninstabilität verstanden. Auf der anderen Seite tritt es bei einer ohnehin schon instabilen Wirbelsäule viel häufiger auf.

Die Spondylolisthesis tritt in den meisten Fällen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule (LWS) auf. In sehr seltenen Fällen ist die Brustwirbelsäule (BWS) betroffen. Etwas häufiger kann es auch im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) zum Wirbelgleiten kommen.

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Wie kommt es zur Spondylolisthesis?

Die Gründe für eine Spondylolisthesis sind sehr unterschiedlich. Zunächst einmal unterscheidet man zwischen angeborenem und erworbenem Wirbelgleiten.

Angeborenes Wirbelgleiten

Die angeborene Form der Spondylolisthesis wird durch eine Wirbelfehlbildung verursacht. Die Wirbelfehlbildung besteht in der angeborenen Unterbrechung des Wirbelbogens (Spondylolyse). Der letzte Lendenwirbel ist am häufigsten von der sogenannten Spondyolyse betroffen.

Des Weiteren haben Jungen zwei- bis dreimal häufiger als Mädchen diese Fehlbildung von Geburt an. Allerdings tritt das Wirbelgleiten in seiner schweren Form etwa viermal häufiger als bei Jungen auf.

Erworbene Formen von Wirbelgleiten

In folgenden Formen kann die Spondylolisthesis im Laufe des Lebens erworben werden:

  • degenerativ: Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule und der Wirbel ab etwa 50-60 Jahren. Frauen sind häufiger betroffen als Männer
  • isthmisch: Überbelastung der Wirbelsäule
  • posttraumatisch: Schwere Verletzungen, Unfälle und Operationen
  • pathologisch: nicht angeborene Knochen- und Wirbelsäulenerkrankungen

Ursachen der Spondylolisthesis

Wirbelgleiten kann verschiedene Ursachen haben und betrifft Menschen verschiedenen Alters – je nachdem, welche Ursache und welche Form vorliegen. Bei der angeborenen Form sind die Ursachen noch nicht erforscht. Es wird jedoch vermutet, dass die Spondylolisthesis vererbt werden kann.

Drei Wirbel mit Bandscheiben und dem Rückenmark im Wirbelkanal
Beim Wirbelgleiten verschieben sich die Wirbelkörper (hinten) übereinander. © Alexandr Mitiuc / Fotolia

Ursachen für degeneratives Wirbelgleiten

Das degenerative Wirbelgleiten ist eine Folge von Abnutzung und Verschleiß durch den Alterungsprozess und damit zusammenhängende Veränderungen der Wirbelsäule eines Menschen. Im höheren Alter kommt es vermehrt zu einem Verschleiß, insbesondere der Bandscheiben, sodass sich die Wirbelverbindungen lockern. Insbesondere bei schwach ausgeprägter Rumpfmuskulatur steigt das Risiko, eine Spondylolisthesis erleiden. Diese Muskulatur schützt und stabilisiert die Wirbelsäule und kann damit auch einer Spondylolisthesis vorbeugen.

Ursachen für isthmisches Wirbelgleiten

Beim sogenannten isthmischen Wirbelgleiten kommt es durch kleine Verletzungen des Wirbelbogens zu einem Bruch oder zur Knochenauflösung. Diese Stressverletzungen bzw. Stressfrakturen können durch bestimmte Sportarten bzw. durch Leistungssport verursacht werden. Das Risiko ist besonders groß bei Speerwerfen, Turnen, Stabhochsprung, Ballett und Gewichtheben – hier wird die Wirbelsäule stark nach hinten gebogen.

Ursachen für posttraumatisches Wirbelgleiten

Das posttraumatische Wirbelgleiten tritt als Folge von Verletzungen und einer damit zusammenhängenden Instabilität der Wirbelsäule auf. Zudem kann es nach Operationen an der Wirbelsäule zum posttraumatischen Wirbelgleiten kommen.

Es kann auch vorkommen, dass bestimmte Erkrankungen der Knochen die Ursache einer Spondylolisthesis sind. Bei dieser pathologischen Form kommt es beispielsweise durch die Erkrankung zu verminderter Knochenfestigkeit im Bereich des Wirbelbogens mit einer anschließenden Fraktur, die das Wirbelgleiten begünstigt.

Symptome der Spondylolisthesis

Das Wirbelgleiten an sich verursacht nur sehr selten Schmerzen. Dennoch hängen die Beschwerden auch vom Schwergrad der Erkrankung ab. Ist der Wirbel weniger als 50 Prozent verschoben, haben die betroffenen Patienten häufig gar keine oder nur geringe Beschwerden.

Eine angeborene Spondylolisthesis verursacht tendenziell selten Schmerzen und schränkt die Betroffenen auch nicht zwangsläufig in ihrer Bewegung ein. Wirbelgleiten wird daher oft nur zufällig diagnostiziert. Schätzungen zu Folge sind die Hälfte der betroffenen Patienten schmerzfrei.

Spondylolisthesis als Auslöser für weitere Wirbelsäulenerkrankungen

Erst, wenn die Wirbel aufeinander reiben oder Nerven und Bandscheiben quetschen, entstehen tiefsitzende Rücken– bzw. Wirbelsäulenschmerzen. Wirbelgleiten ist daher eine Erkrankung, die andere Erkrankungen an der Wirbelsäule, wie zum Beispiel Bandscheibenvorfälle, verursacht.

Das degenerative Wirbelgleiten wird fast immer auch von einer sogenannten Spondylarthrose, auch Facettengelenkarthrose genannt, begleitet.

Sowohl durch das Wirbelgleiten, als auch durch die parallele Entwicklung einer Spondylarthrose (Arthrose der kleinen Wirbelgelenke), kommt es im weiteren Krankheitsverlauf oft zu einer Verengung des Wirbelsäulenkanals (Spinalkanalstenose).

Der Patient leidet bei diesem Verlauf der Erkrankung zunächst unter tiefsitzenden Schmerzen im unteren Rückenbereich, vor allem beim Stehen oder Gehen. Des Weiteren können Schmerzen, die bis in den Oberschenkel ausstrahlenden, hinzukommen, sodass sich eine Claudicatio spinalis entwickelt (schmerzbedingtes Hinken als Folge der Spinalkanalstenose).

Weibliche Person hat Rückenschmerzen
© Kaesler Media / Fotolia

Diagnosestellung

Mithilfe eines ausführlichen Anamnesegesprächs lässt sich noch keine sichere Diagnose erstellen. Die Auskunft des Patienten über die Art und Ausprägung der Schmerzen lassen keine Rückschlüsse auf die Ursache für Wirbelgleiten zu. Auch eine körperliche Untersuchung reicht in der Regel nicht für die Diagnosestellung einer Spondylolisthesis aus.

Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass der Patient, insofern er bereits unter Schmerzen und weiteren Beschwerden leidet, nicht nur an Wirbelgleiten erkrankt ist. Es könnten sich beispielsweise auch eine Spinalkanalstenose, ein Bandscheibenvorfall oder die Spondylarthrose entwickelt haben. Aus diesem Grund sind bildgebende Verfahren nötig, um eine eindeutige Diagnose beim Wirbelgleiten zu stellen.

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Bildgebende Verfahren beim Wirbelgleiten

Zur Diagnosestellung tragen in der Regel Röntgenaufnahmen bei. Der Arzt kann auch eine Computertomografie (CT) oder eine Kernspintomografie (MRT) veranlassen. Beim Röntgen müssen Seitenaufnahmen erstellt werden, um die Spondylolisthesis und den vorliegenden Schweregrad zu erkennen. Neben dem Wirbelgleiten lassen sich dabei auch die Haltung der Wirbelsäule und Veränderungen an Knochen und Gelenken erkennen. Mithilfe von Röntgenaufnahmen in vorwärts und rückwärts gebeugter Körperhaltung zeigt sich die Stabilität bzw. Instabilität der Wirbelsäule.

Mithilfe der CT oder MRT entstehen Schnittbilder, durch die sich die Beschwerden einem der organischen Bereiche zuordnen lassen. Bei der Computertomographie handelt es sich um eine computergestützte Röntgenuntersuchung. Der Vorteil gegenüber der normalen Röntgenuntersuchung ist, dass eine CT Schichtaufnahmen ab 0,5 mm Dicke erstellt und damit eine mehrdimensionale Darstellung möglich ist. Die Magnetresonanztomographie arbeitet dagegen strahlungsfrei.

In der Darstellung des Skeletts, der organischen Weichteile und des Zentralnervensystems ist die Magnetresonanztomographie der Computertomographie weit überlegen und damit auch hinsichtlich einer sicheren Diagnosestellung der Computertomographie bei Schmerzen in der Wirbelsäule, bei Verdacht auf Wirbelgleiten und anderen Erkrankungen an der Wirbelsäule vorzuziehen.

Behandlung von Wirbelgleiten

Die Behandlung der durch eine Spondylolisthesis verursachten Schmerzen an der Wirbelsäule erfolgt in der Regel durch konservative Methoden. Das heißt, dass nur unter bestimmten Umständen eine Operation nötig ist, ansonsten aber die medikamentöse und physiotherapeutische Behandlung im Vordergrund stehen.

Die Behandlung akuter Schmerzen hat oberste Priorität. Dazu erhält der Patient eine Kombination aus schmerzlindernden und muskelentspannenden Medikamenten.

Bewegung und Physiotherapie bei einer Spondylolisthesis

Nach der ersten Schmerzbehandlung steht regelmäßiger Sport nach professioneller, medizinischer Anleitung im Vordergrund. Eine Physiotherapie in Form von zielgerichteten und konsequenten, d.h. regelmäßigen Übungen stabilisiert und entlastet die Wirbelsäule. Diese Übungen sollten insbesondere die Muskeln an Bauch und Rücken stärken. Eine durch sportliche Betätigung gut ausgebildete Muskulatur des Rumpfes wirkt wie ein Korsett und verhindert das fortschreitende und sich wiederholende Wirbelgleiten.

Nach dem Erlernen der speziellen Übungen in der Rückenschule oder in Einzelsitzungen mit einem Physiotherapeuten, sollte der Patient diese auch selbständig und regelmäßig durchführen, um das Wirbelgleiten nachhaltig zu verhindern. Die speziellen Übungen können auch um Sportarten, die dem Rücken bei oder nach dem Wirbelgleiten zuzumuten sind, ergänzt werden. Zu diesen schonenden Sportarten gehören unter anderem Radfahren, Nordic Walking und Schwimmen, vor allem Rückenschwimmen.

Weitere Behandlungsmaßnahmen bei Wirbelgleiten

Physikalische Therapiebausteine, wie spezielle Massagen, können den Heilungsprozess beschleunigen. In seltenen Fällen kann der behandelnde Arzt dem betroffenen Patienten auch das Tragen eines Korsetts empfehlen. Dies führt jedoch gleichzeitig zu einer nachteiligen Schwächung der Muskulatur.

Wenn durch das Wirbelgleiten auch Störungen der Nervenfunktionen verursacht wurden oder eine Spinalkanalstenose vorliegt, muss auch eine Operation in Betracht gezogen werden.

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Vorbeugung

Wie bei allen angeborenen Erkrankungen der Wirbelsäule gibt es auch für das angeborene Wirbelgleiten keine Vorbeugungsmaßnahmen. Grundsätzlich helfen Bewegung und Sport dabei, die Rumpfmuskulatur zu stärken, sodass die Wirbelsäule stabilisiert und geschützt ist. Bei einer trainierten Muskulatur von Bauch und Rücken tritt daher seltener Wirbelgleiten auf.

Zu beachten ist hierbei jedoch, dass nicht alle Sportarten sinnvoll sind. Leistungssport und Sportarten, bei denen der Rücken bzw. die Wirbelsäule stark belastet und vor allem gebogen werden, tragen nicht dazu bei, eine Spondylolisthesis zu verhindern. Zu diesen Sportarten gehören beispielsweise Ringen, Kunstturnen und Delfinschwimmen. Bandscheiben- und wirbelsäulenschonend sind stattdessen Rückenschwimmen, Tanzen, Nordic Walking und Fahrradfahren.

Um das Risiko, an einer Spondylolisthesis zu erkranken, stark zu reduzieren, sollte man daher neben viel Bewegung und rückenschonenden Sportarten auch darauf achten, sich im Alltag rückenschonend zu verhalten.