Die Spinalkanalstenose bezeichnet eine Verengung des Wirbelsäulenkanals (Spinalkanals), in dem das Rückenmark und die Nervenfasern verlaufen. Dies kann durch den Druck auf Nerven, Blutgefäße und das Rückenmark zu bleibenden Nervenschädigungen, Schmerzen und Problemen bei der Bewegung führen.
Definition: Was ist eine Spinalkanalstenose?
Eine Verengung des Spinalkanals und damit der darin verlaufenden Nerven, Blutgefäße und des Rückenmarks kann die Lebensqualität betroffener Personen deutlich einschränken. Während die angeborene Spinalkanalstenose eher selten ist, kommt die erworbene (auch degenerative) Spinalkanalverengung häufiger vor. Obwohl es keine verlässlichen Zahlen gibt, schätzt man, dass ungefähr ein Prozent der Bevölkerung über sechzig Jahren unter einer Spinalkanalstenose leiden. Dabei sind Frauen deutlich häufiger betroffen als Männer.
Aufgrund der hohen mechanischen Belastung kommt eine Spinalkanalstenose in der Lendenwirbelsäule (LWS) (lumbale Spinalkanalstenose) besonders häufig vor, gefolgt von einer Spinalkanalstenose in der Halswirbelsäule (HWS). Eine Spinalkanalverengung in der Brustwirbelsäule tritt dagegen sehr selten auf.
Anatomischer Hintergrund
Die Wirbelsäule ist zentraler Bestandteil des Körpers. Sie wird im Normalfall nicht unmittelbar als solcher wahrgenommen, ist jedoch für die Stabilität des Körpers und den aufrechten Gang zuständig. Sie setzt sich aus mehreren einzelnen Knochen, den Wirbeln, zusammen, die gemeinsam die Wirbelsäule bilden. Durch die Form der einzelnen Wirbel entsteht dabei in der Mitte der Wirbelsäule ein langer Kanal, der Spinalkanal. In diesem befindet sich das Rückenmark und es verlaufen wichtige Nervenbahnen und Blutgefäßen.
Der 5. Lendenwirbelknochen von oben. In der Mitte ist gut das Loch zu erkennen, das bei einer Wirbelsäule den Kanal bildet.
Zwischen zwei Wirbelkörpern sitzen die Bandscheiben. Sie dienen als Stoßdämpfer, die das große Gewicht, das auf der Wirbelsäule lastet, abfangen. Diese werden durch einen straffen Bandapparat zusammengehalten.
Die Wirbelsäule samt Spinalkanal ist die wichtigste Körperachse. Zusätzlich ermöglicht sie durch die beiden S-förmigen Krümmungen, die als Kyphose (obere) und Lordose (untere) bezeichnet werden, den aufrechten Gang des Menschen. Durch diese spezielle Form kann bei einem aufrechten Gang das schwere Gewicht des Kopfes getragen werden.
Die Wirbelsäule von vorne und von der Seite. In blau sind die Bandscheiben markiert
Der Spinalkanal
Der Hohlraum des Spinalkanals ist mit den Hirnhäuten ausgekleidet. In diesem befinden sich Bestandteile des zentralen Nervensystems (ZNS).
Liquor – Ein geschlossener Kreislauf
Hier zirkuliert auch der Liquor (Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit), eine klare Flüssigkeit, die einerseits die Schwerkraft neutralisiert und das Gehirn und Rückenmark polstert, andererseits aber auch Abfallstoffe aus dem Gehirn abtransportiert. Der Spinalkanal der Wirbelsäule tritt durch den Schädel ins Gehirn ein. Durch diese Verbindung bilden Rückenmark und Gehirn ein geschlossenes System – das sogenannte zentrale Nervensystem (). Der Liquor ist aus diesem Grund ein diagnostisch sehr wichtiges Mittel.
Eine Entnahme von Liquor kann durch eine Punktion des Spinalkanals erfolgen. Die Untersuchung der Flüssigkeit im Labor kann auf bestimmte Krankheiten hinweisen. Bei der sogenannten Lumbalpunktion wird auf Höhe der Lendenwirbelsäule eine lange Nadel in den Duralsack gestochen. An dieser Stelle befindet sich kein Rückenmark mehr und folglich keine Nerven, die verletzt werden könnten. Der Liquor tritt als farblose Flüssigkeit aus und wird aufgefangen. Das gewonnene Gehirn- und Rückenmarkswasser wird anschließend im Labor untersucht.
Auch eine Spinalkanalstenose kann über eine Entnahme und Untersuchung von Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit festgestellt werden. Eine Stauung des Liquors durch die Spinalkanalstenose führt zu einer Änderung in der Anzahl bestimmter Zellen.
Das Rückenmark
Mit dem Liquor befindet sich auch das Rückenmark im Kanal der Wirbelsäule. In ihm laufen alle wichtigen Nervenbahnen zusammen und enden im Gehirn. Auf diesem Weg funktioniert das Empfangen und Senden von Informationen. Das Rückenmark ist mit dem Gehirn die wichtigste Funktionseinheit des menschlichen Körpers. Ohne die unzähligen Nervenbahnen könnte keinerlei Information fließen, weder willkürlich gedachte, noch unbewusst vom Körper gesendete.
Eine Schädigung des Rückenmarks hat gravierende Auswirkungen. Schon kleine Verletzungen der Nerven können zu Lähmungen führen. Doch auch eine Beeinträchtigung durch den Schutz der Wirbelsäule bleibt nicht ohne Folgen.
Ursachen einer Spinalkanalverengung
Grundsätzlich kann je nach Ursache der Stenose zwischen einer angeborenen und einer erworbenen Spinalkanalverengung unterschieden werden.
Ursachen einer angeborenen Spinalkanalverengung
Bei der angeborenen Spinalkanalstenose sind die seitlichen Verbindungsknochen der Wirbelkörper zu kurz oder eine Fehlbildung der Wirbel ist für die Spinalkanalverengung verantwortlich. Der Wirbelkanal kann an den betroffenen Stellen nicht seine benötigte Breite erreichen. Es kommt zu einer Spinalkanalstenose. Die eigentlich schützende Wirbelsäule drückt auf Rückenmark, Hirnhäute und Arterien.
Die angeborene Form der Spinalkanalverengung kann schon im Alter von zwanzig Jahren zu Problemen führen.
Ursachen einer erworbenen Spinalkanalstenose
Die erworbene Spinalkanalstenose ist eine Alterserscheinung. Mit den zunehmenden Lebensjahren geht dem Körper Flüssigkeit verloren. Es kommt zum Verschleiß der Bandscheiben. Um diese Instabilität auszugleichen, bildet der Körper Knochenhöcker aus. Diese gleichen zwar die fehlenden Bandscheiben aus, drücken aber gleichzeitig auf das Rückenmark, weil sie größer und massiver als die Bandscheiben sind. Zusätzlich sind die knöchernen Ausbildungen auch nicht mehr flexibel. Dadurch engen sie den Spinalkanal ein und drücken auf das Rückenmark.
Diese Form der Spinalkanalstenose macht sich im hohen Alter bemerkbar. Zwischen sechzig und neunzig Jahren berichten Patienten über Beschwerden einer Wirbelkanaleinengung.
Die Ursachen beider Formen der Spinalkanalverengung sind bekannt, ebenso wie Zahlen der angeborenen Form der Spinalkanalstenose. Trotzdem kann die Anzahl der Betroffenen, die an einer erworbenen Verengung des Wirbelkanals erkrankt sind, bislang nur geschätzt werden. Sicher ist aber, dass die Zahl weiterhin steigen wird, da die Bevölkerung immer älter wird.
Symptome einer Spinalkanalstenose
Die Symptome der Spinalkanalverengung können vielfältig sein. Deswegen ist die Diagnose einer Spinalkanalstenose nicht einfach. Gerade bei der erworbenen Form zeigt die Spinalkanalstenose Beschwerden, die im hohen Lebensalter allgemein gültig sein könnten.
Die Patienten klagen über Rückenschmerzen und Gehstörungen. Eine nach vorne gebeugte Körperhaltung ist typisch für Patienten mit einer Spinalkanalverengung. Da sich bei dieser Körperhaltung die Wirbelsäule auseinander streckt, bleibt dem Spinalkanal mit seinen Strukturen mehr Platz. Aus diesem Grund zeigen Patienten mit Spinalkanalstenose beim Fahrradfahren häufig keine Beschwerden.
Die Problematik äußert sich durch sehr starke Schmerzen im unteren Rücken. Sie treten besonders dann auf, wenn der Rücken in ein Hohlkreuz überstreckt wird. Dadurch haben die Strukturen im Spinalkanal noch weniger Raum und werden zusammengepresst. Die Schmerzen, die eine Verengung des Wirbelkanals verursacht, können vom unteren Rücken bis in die Beine ausstrahlen.
Auch ein Gefühl von bleiernen Beinen tritt bei einer Spinalkanalstenose auf. Dadurch wird das Gehen sehr anstrengend. Betroffene können manche Beinbewegungen überhaupt nicht mehr ausführen.
Diagnose der Spinalkanalverengung
Wenn nach einer ersten Befragung und einer körperlichen Untersuchung der Verdacht auf eine Spinalkanalstenose besteht, müssen weitere Maßnahmen diese Diagnose bestätigen.
Die Problematik des Gehens bei einer Spinalkanalstenose kann einfach, aber effektiv mit Hilfe der sogenannten Gehstrecke beurteilt werden. Das Messen der Gehstrecke ist auch in der Neurologie ein bewährter Maßstab, um den Verlauf von Krankheiten bewerten zu können. Der Patient geht dabei so viele Schritte bzw. Meter, bis die von ihm beschriebene Problematik einsetzt. Über Werte, die bereits ermittelt und festgehalten wurden, kann das Ergebnis verglichen werden.
Bildgebende Verfahren zur Diagnose einer Spinalkanalstenose
Um eine Spinalkanalstenose aber sicher feststellen zu können, ist ein bildgebendes Verfahren nötig. Die Magnetresonanztomographie bietet sich an, da sie strahlungsarm ist. Sollten dem Patienten jedoch in einer früheren OP Metallteile eingesetzt wurden sein, ist eine Computertomographie notwendig. Diese Untersuchung bedient sich zwar der Röntgenstrahlung, macht aber eine Verengung des Wirbelkanals sichtbar.
In manchen Fällen kann auch die Röntgen-Kontrastmittel-Untersuchung des Rückenmarks, die sogenannte Myelographie, hilfreich sein. Eine Diagnose der Spinalkanalstenose über bestimmte Werte im Liquor nach einer Lumbalpunktion ist zwar möglich, wird aber äußerst selten angewendet. Dieses Verfahren wäre invasiv und würde gegenüber den bildgebenden Verfahren keinerlei Vorteile bieten.
Behandlung einer Spinalkanalverengung
Es gibt unterschiedliche Ansätze, um eine Spinalkanalstenose zu behandeln. Eine konservative Behandlung aus Schmerzmitteln und Physiotherapie kann erfolgreich sein. Ziel bei einer konservativen Therapie ist die Behandlung der Symptome. Oft lindern sie die Beschwerden jedoch nur kurzeitig. Die ursprüngliche Problematik durch eine Fehlbelastung bleibt meist bestehen.
Das Tragen eines Stützkorsetts kann unter Umständen Entlastung bieten. Es behebt aber nicht die Ursache einer Spinalkanalstenose und müsste ständig getragen werden.
Das Versagen der Beine, über das so viele Patienten mit einer Spinalkanalverengung klagen, bleibt bei einer konservativen Behandlung bestehen. Das Problem kann nur eine Operation lindern, die den betroffenen und eingeengten Nerven neuen Platz verschafft.
Operative Behandlung der Spinalkanalverengung
Eine OP kann die Spinalkanalstenose dauerhaft beheben und dem Patienten die Beschwerden nehmen. Sie ist dann nötig, wenn der Patient durch die Kanalverengung zu große Schmerzen und Einschränkungen erfährt. Obwohl viele Patienten vor diesem Eingriff zurückschrecken, bietet er die besten und schnellsten Heilungschancen. Diese Operation ist für den Chirurgen ein technisch äußerst komplizierter Eingriff. Er wird nur in wenigen Kliniken in Deutschland von erfahrenen Ärzten durchgeführt. Heutzutage gibt es zwei Arten zu operieren: eine offene OP oder ein minimal-invasiver Eingriff. Die Laminektomie, bei der ganze Wirbelkörper entfernt werden, um dem eingeengten Spinalkanal Raum zu verschaffen, wird seit vielen Jahren nicht mehr angewendet.
Die offene OP
Bei der offenen OP besteht dennoch die Möglichkeit, Wirbel teilweise zu entnehmen. So kann der Chirurg gut an der betroffenen Stelle arbeiten und die Spinalkanalstenose wird behoben.
Dabei sind bei einer herkömmlichen Operation der Spinalkanalstenose auf Höhe der Halswirbelsäule zwei Möglichkeiten denkbar, um die betroffene Stelle zu erreichen. Entweder über einen Schnitt an der Hals-Vorderseite oder über die Körperrückseite und den Nacken. Von hier kann der betroffene Wirbel direkt erreicht werden. Der Wirbelkörper wird aufgesägt und aufgeklappt, um der bestehenden Spinalkanalverengung mehr Raum zu schaffen.
Eine weitere Möglichkeit ist der Austausch der Wirbelkörper, die durch Knochensporne die Spinalkanalstenose verursachen, gegen entsprechende Implantate.
Minimal-invasive Verfahren
Die Operation einer Spinalkanalstenose an der Lendenwirbelsäule ist mittlerweile mit minimal-invasiven Verfahren möglich. Dazu ist ein kurzer Hautschnitt nötig, durch den der Chirurg Zugang zu einer Seite der Wirbelsäule hat. Auf diesem Weg kann er auch die andere Seite der Wirbelsäule erreichen und den Wirbelkanal erweitern. Diese minimal-invasive Technik, eine Spinalkanalverengung im Bereich der Lendenwirbelsäule zu operieren, kann auf verschiedenen Höhen angewendet werden.
Jede Operation einer Spinalkanalstenose unterscheidet sich stark von der anderer Wirbelkanalverengungen. Das angewendete OP-Verfahren ist abhängig von den vorliegenden Gegebenheiten. Unter anderem spielen Körperbau und Alter des Patienten eine Rolle.
Prognose: Heilungschancen einer Spinalkanalstenose
Grundsätzlich sind die Chancen auf Heilung bei einer Spinalkanalstenose gut. Oft lassen die Beschwerden auch ohne Eingriff nach einer Weile wieder nach.
Es ist wichtig, die ursächliche Problematik, die für die Spinalkanalstenose verantwortlich ist, zu behandeln. Das funktioniert nur im Fall einer erworbenen Spinalkanalstenose. Doch gerade in diesen Fällen ist häufig eine Fehlbelastung oder mangelnde Bewegung das Problem. Diesen Ursachen kann jeder gezielt durch Sport und Physiotherapie entgegenwirken. Dadurch tritt eine Linderung der Beschwerden einer Spinalkanalstenose ein.
Nach einem minimal-invasiven Eingriff an der Lendenwirbelsäule vergrößert sich bereits am nächsten Tag die zurückgelegte Gehstrecke. Wenige Tage nach der Operation der Spinalkanalstenose kann der Patient die Klinik verlassen und nach einigen Wochen wieder seinen üblichen Freizeitaktivitäten nachgehen. Er ist schmerz- und beschwerdefrei.